Eine grundsätzliche Anforderung bei der Erfassung und Zahlung von Kreditorenrechnungen besteht darin sicherzustellen, dass Kreditorenrechnungen nur einmal erfasst und gezahlt werden. Was sich zunächst wie eine Binsenweisheit anhört, kann in der Praxis zu zahlreichen Problemstellungen führen, vor allem dann, wenn es um die Buchung und Zahlung von sog. Aufwandsrechnungen geht, die nicht über Bestellungen systemseitig nachgehalten werden.
Betrachten wir uns beispielhaft einmal einen Vorgang bei dem ein Mitarbeiter aus der Marketingabteilung Werbebroschüren für die nächste Messe bestellt. Da es sich bei der Bestellung um Verbrauchsmaterial handelt, das einen vergleichsweise kleinen Bestellwert hat, wird die Bestellung der Einfachheit halber unmittelbar per Email an den Lieferanten aufgegeben ohne vom Bestellanforderungs-/Bestellprozess Gebrauch zu machen.
Legt nun der Lieferant eine Rechnung der Sendung bei und verschickt diese nochmals an die Buchhaltung als Email, so kann es vorkommen, dass die gleiche Rechnung mehrfach im Unternehmen eingeht.
Gehen wir nun davon aus, dass der Mitarbeiter im Wareneingang die der Sendung beigefügte Rechnung an den Mitarbeiter aus der Marketingabteilung weiterleitet, der die Broschüren bestellt hat. Nach erfolgter (manueller) Prüfung und Freigabe der Rechnung wird diese anschließend an die Kreditorenbuchhaltung weitergegeben, wo sie zum ersten Mal im ERP-System unter der Nummer „INV1234“ erfasst wird.
Nehmen wir weiter an, dass die Rechnung, die per Email bei einem anderen Mitarbeiter der Kreditorenabteilung einging an den Marketingleiter zur Prüfung und Freigabe weitergeleitet wird. Stimmt sich in dem Fall der Marketingleiter nicht mit seinem Kollegen ab der die Broschüren bestellt hat, so kann es vorkommen dass die Rechnung ein zweites Mal genehmigt und im System erfasst wird bspw. aufgrund eines Tippfehlers bei der Eingabe unter der Nummer „INV 1234“.
Bitte beachten sie dass die zweite Eingabe mit einem Leerzeichen vor der Rechnungsnummer eingegeben wird, so dass es sich systemtechnisch um eine andere Rechnung handelt, weil sich die Nummern „INV1234“ und „INV 1234“ aufgrund des Leerzeichens voneinander unterscheiden.
Basierend auf dieser Darstellung stellen sich drei grundlegende Fragen:
- Wie kann man herausfinden ob Rechnungen mehrfach eingegeben wurden?
- Wie kann man verhindern eine Rechnung mehrfach zu zahlen? und
- Wie kann man mehrfache Rechnungserfassungen vollständig vermeiden?
In den folgenden Unterkapiteln sollen diese Fragestellungen mit Bezug auf Dynamics AX Standardfunktionen beantwortet werden.
Frage 1: Wie kann man herausfinden ob Rechnungen mehrfach eingegeben wurden?
Um die nachfolgenden Ausführungen besser nachverfolgen zu können ist es zunächst wichtig zu berücksichtigen, dass der Kreditorenparameter zur Prüfung der Eingabe doppelter Kreditorenrechnungsnummern aktiviert ist.
Vor dem Hintergrund dieser Einstellungen werden anschließend zwei Rechnungen über ein Kreditorenrechnungsjournal mit den Rechnungsnummern “INV1234” und “INV 1234” erfasst. Bitte beachten sie, dass die zweite Rechnung – aufgrund eines Tippfehlers – mit einem Leerzeichen vor der Rechnungsnummer erfasst wurde. Aufgrund dieses Leerzeichens erkennt Dynamics AX nicht, dass es sich um die gleiche Rechnungsnummer handelt und lässt die Buchung beider Rechnungen anstandslos zu.
Lassen sie uns nun das Beispiel dahingehend erweitern, dass zwei zusätzliche Rechnungen über das Kreditoren Rechnungsworkbench erfasst werden. Um die Kreditorenrechnungsprüfung zu „überlisten“ werden diesmal die Rechnungen mit einem Punkt vor bzw. nach der Rechnungsnummer erfasst, wie dies im folgenden Screenshot dargestellt ist.
Aufgrund der aus Demonstrationsgründen absichtlich vorgenommenen Eingabefehler wurde die Rechnung letztendlich viermal im System erfasst.
Lassen Sie uns nun mit Hilfe der Überwachungsrichtlinienfunktion im Überwachungsworkbench Modul versuchen die doppelten Rechnungen zu identifizieren. (In AX2012 kann die nachfolgend beschriebene Standardfunktion im Modul „Compliance und interne Kontrollen“ gefunden werden).
Das erste was im Rahmen der Einstellung von Überwachungsrichtlinien benötigt wird ist die Einrichtung eines Richtlinienregeltypen, der auf eine dahinterstehende Abfrage – im Beispiel „Kreditorenrechnung“ – verweist. Darüber hinaus ist über den Abfragetyp zu definieren, dass mit Hilfe dieser Überwachungsrichtlinie nach doppelten Kreditorenrechnungen gesucht werden soll. Schließlich ist in der letzten Spalte zu definieren anhand welches Datums eine entsprechende Überprüfung eingegrenzt werden kann. Weitergehende Informationen zu dieser Einrichtung und im speziellen zu den Abfragetypen können der folgenden TechNet Seite entnommen werden.
Nach Einrichtung des Richtlinienregeltypen ist im zweiten Schritt eine Überwachungsrichtlinie einzurichten, die auf die Organisationseinheit verweist in der die doppelte Rechnungssuche durchgeführt werden soll.
Der dritte und wichtigste Einrichtungsschritt besteht in der Spezifikation der sog. Überwachungsrichtlinienregel.
Im Rahmen dieser Spezifikation ist über die Einrichtung von Filterkriterien zu definieren woran eine potentiell doppelt erfasste Rechnung erkannt wird. In meinem Beispiel wurde hierfür bestimmt, dass dies anhand des Rechnungsdatums, des Rechnungsbetrags und des Kreditorenrechnungskontos erfolgt.
Bitte beachten sie dass die Rechnungsnummer regelmäßig nicht als Auswahlkriterium verwendet werden kann, da sich die Rechnungsnummern wie weiter oben aufgezeigt aufgrund des Kreditorenprüfparameters systemtechnisch voneinander unterscheiden.
Sobald die Überwachungsrichtlinie eingerichtet ist, muss über einen entsprechenden Batchjob festgelegt werden innerhalb welches Zeitintervalls nach doppelten Rechnungen gesucht werden soll.
Findet die Batchjob Suche entsprechend doppelte Rechnungen, so wird automatisiert ein „Ticket“ in Form einer Überwachungsanfrage angelegt, welche die gefundenen potentiell doppelten Datensätze auflistet. Diese Überwachungsanfrage kann anschließend vom zuständigen Sachbearbeiter überprüft und weiterbearbeitet werden. Siehe hier auch den folgenden Screenshot.
Hinweis: Voraussetzung für die automatisierte Anlage einer Anfrage ist die Einrichtung einer Überwachungsanfragekategorie im Organisationsverwaltungsmodul. Einzelheiten hierzu können der folgenden TechNet Seite entnommen werden.
Wenn sie sich die im obenstehenden Screenshot identifizierten doppelten Rechnungen im Detail betrachten, so fällt auf, dass Dynamics AX lediglich die Rechnungen identifiziert hat, die mit einem Punkt in der Rechnungsnummer über das Kreditoren Rechnungsworkbench erfasst wurden.
Rechnungen, die hingegen über Kreditorenrechnungsjournale in Dynamics AX eingegeben wurden, konnten hingegen nicht von der Überwachungsrichtlinie als potentiell doppelte Rechnungen identifiziert werden.
Die Ursache für dieses Systemverhalten liegt im Dynamics AX Policy Framework begründet, welches lediglich solche Rechnungen auf doppelte Werte hin prüft, die – unter anderem – einen SourceDocument Header und eine SourceDocumentLine hinterlegt haben. Da dies nur für solche Rechnungen zutrifft, die über das Kreditoren Rechnungsworkbench erfasst wurden, nicht aber für Rechnungen die über Kreditorenrechnungsjournale eingebucht wurden, werden letztere von der Überwachungsrichtlinie auch nicht gefunden. Über den folgenden Screenshot, der die Rechnungsinformationen aus der VendInvoiceJour Tabelle aufzeigt, kann das eben Gesagte für die erfassten Beispieldaten nachvollzogen werden.
Das identifizierte Standardverhalten von Dynamics AX impliziert nun folgendes:
- Wenn von der hier dargestellten Überwachungsrichtlinienfunktion Gebrauch gemacht werden soll, so müssen alle Kreditorenrechnungen über das Kreditoren Rechnungsworkbench erfasst werden.
- Für den Fall das Rechnungen auch über Kreditorenrechnungsjournale erfasst werden sollen, ist alternativ eine Systemanpassung in Betracht zu ziehen.
- Ohne Systemanpassung bleibt bei einer Rechnungserfassung über Kreditorenrechnungsjournale lediglich die Option eine manuelle Prüfung auf potentiell doppelt erfasste Rechnungen durchzuführen.
Aus Sicht des Verfassers erscheint die erste Option sämtliche Rechnungen über das Kreditoren Rechnungsworkbench zu erfassen allen anderen Optionen überlegen, da sie die Möglichkeit bietet alle Rechnungen – ob mit oder ohne Bestellbezug – in einer einzigen Maske zu erfassen.
Zu beachten ist in diesem Zusammenhang dass die Erfassung von Rechnungen ohne Bestellbezug über das Kreditoren Rechnungsworkbench mittels der Auswahl einer Beschaffungskategorie erfolgt, für die eine entsprechende Kontierung hinterlegt ist. Eine solche Erfassung minimiert nach Ansicht des Verfassers das Risiko von fehlerhaften Buchungen, die z.B. aufgrund von Fehleingaben (Tippfehlern) entstehen können. Darüber hinaus erlaubt eine Kontierung über Kategorien auch temporären Mitarbeitern, Azubis, Trainees, usw. Rechnungen auf einfache Art und Weise fehlerfrei in Dynamics AX zu erfassen. Der folgende Screenshot zeigt eine solche Rechnungserfassung über eine Kategorie auf und verdeutlicht, dass die hinter der Kategorie stehende Kontierung bei Bedarf – entsprechende Berechtigungen vorausgesetzt – überschrieben werden kann.
Selbst wenn die AX-Anwender in ihrem Unternehmen mit der Erfassung von Rechnungen über Kreditorenrechnungsjournale vertraut sind kann sich eine Prozessumstellung hin zu einer Erfassung über das Kreditoren Rechnungsworkbench lohnen. Nicht nur weil hierüber die weiter oben vorgestellte Rechnungssuchfunktion vollumfänglich genutzt werden kann, sondern auch aufgrund der standardmäßig mit dem Rechnungsworkbench verbundenen Workflow- und Excel-Importfunktionen, die insgesamt zu einem einfachen und effektiven Rechnungserfassungsprozess beitragen können.
Frage 2: Wie kann man verhindern eine Rechnung mehrfach zu zahlen?
Wie weiter oben dargestellt kann eine Prüfung auf potentiell doppelt erfasste Rechnungen mit Hilfe von Überwachungsrichtlinien das Risiko von Mehrfachzahlungen minimieren. Dies erfordert – wie aufgezeigt – eine entsprechende Rechnungserfassung über das Kreditoren Rechnungsworkbench. Wird hiervon kein Gebrauch gemacht, so bleibt alternativ nur eine manuelle zeit- und ressourcenintensive Prüfung auf potentiell doppelt erfasste Kreditorenrechnungen.
Frage 3: Wie kann man mehrfache Rechnungserfassungen vollständig vermeiden?
Das Kreditoren Rechnungsworkbench und die Überwachungsrichtlinien erlauben eine Prüfung daraufhin ob Rechnungen mehrfach erfasst wurden um Doppelzahlungen an Kreditoren zu verhindern. Anders ausgedrückt erlauben die beiden Funktionen eine Prüfung im Nachgang, d.h. nachdem ein Fehler bereits aufgetreten ist.
Da Vorsorge in der Regel besser ist als Nachsorge, stellt sich die Frage wie sich Mehrfacherfassungen von Rechnungen von vorneherein vermieden lassen?
Aus Sicht des Verfassers kann dies nur über eine einheitliche und vollumfängliche Nutzung der Dynamics AX Bestellprozessfunktionen sichergestellt werden. Wörtlich genommen erfordert dies, dass für jede auch noch so kleinen Einkäufe eine Bestellung in Dynamics AX angelegt wird. Auf den ersten Blick mag diese Forderung speziell für viele kleine und mittelständische Unternehmen wie der sprichwörtliche Schuss mit Kanonen auf Spatzen erscheinen. Allerdings habe ich in den letzten Jahren die Erfahrung gemacht, dass es speziell in kleinen und mittelständischen Unternehmen zu Problemen mit der Mehrfacherfassung und Mehrfachzahlung kommt, weil es dort häufig an stringenten und einheitlich definierten Prozessen fehlt. Dementsprechend sind es wahrscheinlich genau diese Unternehmen die von einer vollständigen Abwicklung aller Einkäufe über den Dynamics AX Bestellprozess am meisten profitieren.
Wenn sie es bis hierhin geschafft haben :-), dann hoffe ich dass ihnen dieser Beitrag gefallen hat. Ich würde mich freuen wenn sie z.B. über einen Kommentar ihre Erfahrungen im Hinblick auf die Mehrfacherfassung und Mehrfachzahlung von Rechnungen hinterlassen können um auch anderen Dynamics AX Nutzern weitere/alternative Standardlösungsmöglichkeiten zur Mehrfacherfassung und Mehrfachzahlung von Rechnungen aufzuzeigen. Vielen Dank hierfür und bis zum nächsten Beitrag.
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